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Es dreht sich um Rumi

Wir denken so oft: das mache ich morgen, aber spätestens nächste Woche. Wenn ich erst einmal in Rente bin, dann mache ich die große Weltreise, fange an zu malen oder lerne Gitarre spielen. Wir haben ja Zeit. Das ganze Leben scheint noch vor uns zu liegen. In Wirklichkeit ist es eine Illusion, dass alles dauert. Letzte Woche ist schon in Vergessenheit geraten, die Schulzeit sowieso und können wir uns noch ganz detailliert an den gestrigen Tag erinnern? Alles ist vorbei. Die Tage vergehen, als hätte es sie nie gegeben. „Die Erfahrungen steigen Tag und Nacht aus der Leerheit auf“, dichtete der persische Sufi und Mystiker Rumi im 13. Jahrhundert. Auch Zen-Meister Shunryu Suzuki – „… der kleinere Suzuki“, wie er schmunzeln sagte, weil er immer wieder mit dem anderen Zen-Meister Daisetsu Teitaro Suzuki verwechselt wurde – fasste die Vergänglichkeit von allem in einen ganz schlichten Satz zusammen: „Nicht immer so.“

Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī

Wir können die Dinge nicht festhalten. Auch wenn der eine oder andere denkt, sein SUV halte ewig. Ein kleines Gedankenexperiment hilft da vielleicht. Wir stellen uns die Welt in hundert Jahren vor. Gibt es dann noch meinen SUV? Gibt es überhaupt noch diese tonnenschwere SUVs? Sie sind bedeutungslos. Es kommt letztendlich immer auf die Sichtweise an. „Wenn du in den Garten gehst, siehst du die Blumen an oder die Dornen? Nimm dir mehr Zeit für Rosen und Jasmin“, schrieb der Dichter Rumi. Das erinnert an eine buddhistische Geschichte der Gegenwart. Der Theravada-Mönch Ajahn Brahm war auf Einladung der Buddhist Society of Western Australia nach Perth gekommen. Dort sollte er zunächst einmal lehren. Dann erhielt er ein großes Gelände im Süden von Perth und wollte dort ein Kloster bauen. Es gab ab kein Gebäude, weder eine Toilette noch ein Raum zum Schlafen. So begann er als Maurer auf dem Gelände. Eine andere Chance hatte er nicht. Getreu dem Motto: Selbst ist der Bhikkhu! Gesagt getan und später führte er immer wieder Touristen durch das Gelände mit ihren gemauerten Häusern. Dabei entschuldigte er sich immer wieder für die wenigen Steine, die nicht so richtig gemauert waren. Sie saßen nicht in Reih‘ und Glied und lugten aus der Mauer. Bis einmal ein Tourist sagte: „Sie müssen sich doch nicht entschuldigen. Sehen Sie nicht die 1000 Ziegel, die perfekt gemauert sind?“

Siehst du die Dornen oder die Blumen?

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