Erkenntnis Handeln Meditation

Ich kenn‘ das alles schon

„Nö, also dat mit der Energie kenn ich ja schon alles“, sagte er leise und fasste mich dabei jovial am Arm, „du verstehst schon, ich bin auch Reiki-Meister und ich dachte, das hier wären mehr so Traumreisen.“ Was sollte ich jetzt dazu sagen. In unserem Sangha war während der Meditation nie das Wort von „fließender Energie“ gefallen. Wir fühlen uns in der Tradition von Dogen Zenji und der hielt es einfach nur mit Sitzen – Shikantaza. Mehr nicht. Bei uns fließt keine Energie, sondern wir verbinden uns mit Dao und dem Strom des Lebens. Ich habe also nicht verstanden. Der Teilnehmer unserer Meditation war zum ersten Mal da und urteilte gleich, was richtig und falsch ist. Er setzte noch eins nach: „Also ich habe ja selbst schon Meditationen geleitet, in einem Kloster.“ Irgendwie war offenbar sein „Ich“ sehr groß und fühlte sich gemüßigt, mir das auch zu demonstrieren.

Eine Woche vorher war er schon mal in unserem Zendo gewesen. Unsere Tür steht immer offen und er trat ein, sah uns in der Versenkung und war offenbar irritiert, dass ihn so gar keiner beachtete. „Hallo,“ rief er, „ich hab da mal ne Frage …“ Wir blieben in Shikantaza und er verließ das Zendo. Am Ende sah ich ihn vor der Tür und er fragte, ob er da auch mal mitmachen dürfe. Ich lud ihn für die kommende Woche ein, aber da (siehe oben) kannte er ja schon alles. Wenn er nur Sitzen möchte, könne er jederzeit wiederkommen, versprach ich ihm.

Diesen Hype ums Meditieren finde ich nicht schön. Es ist toll, dass sich so viele Menschen dafür interessieren, aber offenbar weiß auch jeder, wie es geht. Und wenn einmal eine traditionelle Meditation nicht den Vorstellungen entspricht, kann das nichts. Da gibt es so eine nette Geschichte von einem weisen Mönch. Ein gelehrter Professor kam einmal zu ihm und wollte wissen, was denn überhaupt Zen sei: „Erklär mir das mal.“ Der Mönch fragte, ob er eine Tasse Tee haben wolle. Der Professor war hoch erfreut und nickte. Der Mönch stellte eine Teetasse vor ihn hin und goss ein. Aber er hörte nicht auf und die Teetasse floss über. „He“, rief der Professor, „pass doch auf!“ Der Mönch sagte, dass sein Gast so voll wie die Tasse sei, und dass da überhaupt nichts mehr hineinginge.

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