Yoga


Soll ich, soll ich nicht, soll ich … na gut

So – es geht los. Ich habe bisher schon alles Mögliche unternommen, um mich ein wenig spirituell zu fordern und jetzt soll mal der Körper dazukommen. Yoga habe ich bisher noch nicht gemacht, obwohl ich einmal bei einem längeren Retreat war, das sich Buddhayoga nannte, war aber keins. In Wirklichkeit war es einfach Vipassana und wurde von einem ehemaligen Schüler Thich Nhat Hanhs geleitet. Auch eine sehr interessante Erfahrung, da ich mehrere Tage schweigend verbringen musste. Nein – es gab auch kein Radio, TV oder ganz schlecht … ein Handy. Jetzt versuche ich es mit Yoga Vidya. Werde ich dann ein Yogi? Wir werden sehen. Der Verein gründet sich auf dem Gedankengut von Swami Sivananda Saraswati. Der in Indien geborene Sivananda war Arzt, der später Mönch wurde und seinen eigenen Ashram gründete. Er war auch viel fleißiger als ich, was das Bücherschreiben angeht. Mehr als 200 wurden es im Laufe seines Lebens. Da reicht ein Billy-Regal ja wohl nicht mehr aus.

Nun ich! Ich schaue mir mal an, was der Swami sich so gedacht hat, was ich mit meinem Körper so alles anstellen kann. Das eine kann ich aber schon jetzt sagen: Mein rechtes Bein bekomme ich nicht in den Nacken. Das kann er mal vergessen. Der ganze Kurs dauert acht Tage. Jeden Yoga-Tag berichte ich, wie es meinem Körper so geht und ob wir auch in Zukunft Freunde bleiben werden.

Tag 1

Eine Wolldecke, die sei ja ganz wichtig beim Yoga, hatte mir jemand gesagt. Gerade am Schluss der Stunde, bei der Tiefenentspannung sei die eigentlich ein Muss. Sagte ich schon, dass an diesem ersten Tag das Thermometer am Abend noch 27 Grad anzeigte? Und das Thermometer war nicht defekt. Die Decke blieb im Rucksack. Ein kleines Häufchen Yogawilliger fand sich vor der Tür ein, hinter der das Yoga Vidya stattfinden sollte. Ein gelbes Post-it an der Tür hieß uns in den dritten Stock zu steigen. „Aha“, dachte ich gleich ,“das ist schon die erste Aufwärmherausforderung – raffiniert.“ Wir standen im dritten Stock vor einer psychotherapeutischen Praxis. Musste ich mir Sorgen machen? Die Tür ging auf und Kumāri empfing uns lächelnd in Safran und Weiß. Es stellte sich heraus, dass es in der Praxis einen gepflegten, hellen und runden Raum gab, der von Kumāri vorbereitet worden war. Matten lagen als Platzhalter ringsherum, auf die wir unsere eigenen Matten legen konnten. Der Duft eines Räucherstäbchens waberte durch den Raum. An der Wand saß eine Statue von Buddha, die ein Kerzenlicht in den Händen hielt. Ihm zur Seite ein Bild von Maria. Beim nächsten Mal muss ich Kumāri einmal nach dem Zusammenhang fragen.

So sollte die Baum-Pose aussehen. Nun ja – auch ein Baum wackelt schon mal

Kumāri erläuterte, was in der Stunde passieren werde und versprach uns eine völlige Entspannung zum Ende hin. Ich wusste ja jetzt, dass ich die Wolldecke nicht brauchte. Schon das entspannte mich. Und dann ging es nach und nach in die Praxis des Verbiegens. Ich wurde immer mehr zu verschiedenen äußerst relaxten Tieren: einem Krokodil, einer Kobra und zu etwas wie einem halben Fisch. Da musste natürlich auch Landschaft her und so gab ich auf Anleitung hin den Baum. Der allerdings war wenig standhaft und wackelte. Ich vermutete mal, dass es mit einem aufkommenden Wind zu tun hatte, da Kumāri die Fenster öffnete, um ein wenig frische Luft in den Raum zu lassen. Es war alles in allem sehr entspannend und ich war froh, die Stunde Yoga Vidya mitgemacht zu haben. Nicht zuletzt auch dank Kumāri, die uns hin und wieder ein Om in den Raum schickte. Beim nächsten Mal lasse ich aber die Wolldecke zuhause.

Tag 2

Ich war natürlich zu früh da. Es war so etwas wie eine freudige Erwartung, die mich schon ungeduldig von zuhause losradeln ließ. Kumāri schloss die Tür auf und winkte mich mit einem freundlichen Lächeln herein. Der Raum war bereits indisch eingeduftet. Die Matten lagen wieder im Kreis und ich legte meine Matte wieder auf die selbe Stelle wie am Tag 1. Ich schnappte mir ein körnergefülltes, kleines, quietschgrünes Kissen und setze mich drauf. Nach und nach kamen auch die anderen, komischerweise wurden es immer mehr und einige der Teilnehmer hatte ich beim ersten Mal nicht gesehen. Die Yogini neben mir bewunderte mich, weil ich mit den Knien meiner verschränkten Beine auf den Boden kam, obwohl ich auf dem Kissen saß. Nun ja, ich kannte ja den burmesischen Sitz aus meiner Meditationspraxis. Und dann ging es los: Po zusammenkneifen, mit den Beinen wackeln und eine Faust machen. Aufwärmübungen.

Wo ist die Sonne hin?

Dann das Highlight des Tages: Der Sonnengruß. Dabei verschwand die Sonne langsam hinter dem Horizont, als sie mich vermutlich durch das Fenster sah. So einen Gruß hatten die Sonnenstrahlen noch nicht erhellt und mich auch nicht. Das artete in Schwerstarbeit aus und ich begann zu schwitzen. Erst strecken, dann einen flotten Sprinter hinlegen (am Startblock vor dem 100-Meter-Lauf), der niemals lossausste, sondern den Vierfüssler gab. Da darf eine Kobra und ein gelüpfter Po auch nicht fehlen, bevor der Sprinter schließlich versuchte mit dem linken Bein loszusausen. Klar, haben wir das noch ein paar Mal gemacht. Die Sonne ließ sich nun gar nicht mehr blicken und es wurde langsam dunkel. Zur Entspannung intonierte Kumāri noch ein langgezogenes „Ommm“, mit einem dreimaligen flotten „Shanti“ hinterher. Das klang gut. Ich stimmte in das Om mit ein und hörte mich im Saal brummen. Meine Augen blieben geschlossen und so konnte ich sicherheitshalber die Reaktion der anderen nicht sehen. Bei der liegenden Entspannung gab Kumāri noch den Tipp, dass eine Decke oft willkommen sei. Manchmal würde es kalt. Natürlich hatte ich sie gerade jetzt nicht dabei. Die Stunde war schließlich um und ich sehr zufrieden. Ach ja – ich hatte vergessen nach dem Bild der Maria zu fragen, vielleicht weil ich diesmal irritiert war, dass da jetzt ein kleiner Gipsengel davorstand.

Tag 3

Klar kann ich rechts von links unterscheiden. Vor allem, wenn es um meine Beine geht. Wir waren gerade beim Sonnengruß und dehnten uns in die Sprinterstellung. Kumāri sagte langsam „daaaas rechte Bein zurüüüück …“ Das war ja mal einfach. Sie sagte in meine Richtung sehr freundlich: „Nicht das linke.“ Sie kann mich ja wohl nicht gemeint haben. Sicherheitshalber überprüfte ich noch mal meine Sprinterstellung. Natürlich war das rechte Bein vorne. Da stimmt was nicht. Vorsichtig korrigierte ich meine Stellung. Da kann der Ungeübte ja auch ins Durcheinander kommen mit den vielen Beinen, die man so hat. Die neue Übung am heutigen Tag, war die Wechselatmung. Dazu nehmen wir die Finger einer Hand (diesmal die rechte, ja die richtige rechte), knicken Zeige- und Mittelfinger weg und drücken abwechselnd mit den nun abstehenden Ringfinger und Daumen auf die Nasenflügel. Warum kann ich dazu eigentlich nicht einfach den Daumen und Zeigefinger nehmen? Mach ich doch beim Schwimmen auch, wenn mir Wasser in die Ohren gekommen ist und ich mit dem Druck der zugehaltenen Nase auf den Plopp im Ohr warte. Na ja, das wäre wohl zu einfach. Nun wurde abwechselnd in die Nasenlöcher geatmet. Das solle die verschiedenen Körperhälften betonen. Geht natürlich nicht, weil der Luftstrom eines Nasenflügels sich auf beide Lungenflügel gleichmäßig verteilt. Hat sich was mit Körperhälften. Sonst würde sich ja bei einer erkälteten verstopften Nasenhälfte nur eine Körperhälfte wohlfühlen.

Sonst gab es noch zwei „isch“ neu. Einmal den F-isch und den T-isch. Rechts und links war nicht gefragt. Ging also prima. Bei meinem Tisch wären allerdings die abgestellten Gläser und Tassen wohl flugs zur Mitte gerutscht. Ich eigne mich offensichtlich nicht zum Möbel und der Fisch wollte partout kein Hohlkreuz machen. Der Fisch liegt auf dem Teller doch flach und macht kein Hohlkreuz. Er macht in dem Zustand aber auch kein Yoga mehr.

Die offene Frage mit dem Marienbild neben Buddha konnte mir Kumāri nicht abschließend beantworten. Es sei nicht ihr eigentlicher Übungsraum, sondern eine andere Übungsleiterin habe den Raum eingerichtet. Darauf ein „Ommmmm …“

Tag 4

Wie soll das denn gehen?

Ich bin kein Baby, schon lange nicht mehr und nun soll ich auch noch das „Happy Baby“ geben. Kannste knicken! Meine persönliche Vorturnerin Kumāri kugelt sich auf der violetten Matte. Also auf den Rücken, die Fußsohlen zueinander und dann die Beine zu sich ziehen. Schaff‘ ich. Aber – zu früh gefreut – denn jetzt kommt die Herausforderung: Die Hände umfassen die Füße und die Beine gestreckt. Jau! Habe ich oft bei den Babys gesehen. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied: Babys haben kürzere Beine. Ich nicht. Also hat sich was mit einem Happy-Baby. Ich als Riesenbaby bin bei der Übung alles andere als glücklich. Da mache ich doch lieber zwölf Mal den Sonnengruß. Ok – ist ein Scherz. Dem Baby wurde anschließend auch der Tisch präsentiert. Früher, bei der Gymnastik haben wir dazu schlicht Brücke gesagt. An diesen Tisch wäre aber nur das Riesenbaby gekommen und nicht das Happy-Baby. Es gibt auch Dinge (oder wie wir Yogis sagen: Asanas) für auf den Tisch wie die platte, gequälte Heuschrecke und einen Fisch. Mahlzeit! Darauf gibt es dann statt einem kleinen Rülpserchen ein gepflegtes, langgesummtes „Ommm.“ Zum Abschluss noch ein kleines Gebet „Shanti, Shanti, Shanti“ und für den Guru Swami Sivananda Saraswati ein Namasté mit tiefer Verbeugung.

Kann man machen – muss man aber nicht.

Ich habe früher durchaus einmal Gymnastik gemacht. Erst gezwungenermaßen in der Schule und dann durchaus freiwillig, weil es gut tat. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass wir dem großen Vorturner Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn, besser bekannt als Turnvater Jahn ein Gebet gesprochen, geschweige denn massiv gehuldigt hätten. Auch in dem japanischen Zen-Kloster, in dem ich Meditation gelernt habe, wurden durchaus die steifen Gelenke wieder in Schwung gebracht für die nächste Meditationsperiode. Ein Gasshō (quasi das Namasté auf japanisch) für den Buddha gab es nicht.

Tag 5

Jetzt ist es tatsächlich schon der fünfte Tag zum flotten Körperverbiegen. Der Raum für die Yoga-Stunde ist wieder frisch beduftet und Buddha hält sein Teelicht in den Händen. Na, dann kann es ja losgehen. Erst einmal eher loslegen zur Entspannung. Der Teil des Yogas gefällt mir immer besonders. Auf der Straße höre ich die Auto fahren, ein Moped knattert laut und geht in die ruhige Stimme von Kumāri mit einem „Ommmm …“ über. Da kann ich ja fein liegenbleiben. Das ist natürlich eine Illusion und ich hoffe, dass der Sonnengruß ausfällt. Schließlich ist es schon dunkel und einen Mondgruß kenne ich nicht. „So – bitte alle an die Vorderseite der Matte stellen …“, sagt Kumāri (bitte nicht, denke ich) „zum Sonnengruß.“ Das macht die doch extra! Gut – also zehn Mal schwer zur Decke gestreckt und nie erreicht. Ich sage mir einfach, dass mich keiner dazu gezwungen hat, ich mache das freiwillig. Nach dem Sonnengruß geht es aber weiter und zwar mit einer weiteren Lieblingsübung von mir: dem Baum (siehe Tag 1). Auch diesmal bewege ich mich und muss ab und zu mal die eine der beiden Wurzeln wieder auf dem Boden abstützen, bevor ich wieder auf einem Bein wackele. Aber jedes Elend geht auch zu Ende. Danach soll ich schnarchen, hä, ich bin immer froh (meiner Partnerin zuliebe), wenn ich das nicht tue. Mein Rachen weigert sich zu schnarchen. Nicht in dieser Runde.

Brummsel-Yoga

Beim Ausatmen gibt es ein gemeinschaftliches Gesumme, so, als wären wir bei der Biene Maja und dem müden Willi auf der Wiese. Nach ein paar weiteren kleineren Tierübungen: Fisch, Vogel, Heuschrecke, kommen wir zum Ende des Tages und zur neuerlichen Entspannung. Ganz ehrlich gesagt, ist das meine liebste Yoga-Übung. Ich schließe die Augen, höre wieder ein knatterndes Moped auf der Straße und frage mich, ob das dasselbe ist wie am Anfang der Stunde. Der Duft von Räucherstäbchen wird intensiver und dann klingelt es. Es klingelt lieblich, denn Kumāri hat ein feintönendes Windspiel genommen und geht damit zwischen uns schwerentspannenden Yogi und Yoginis durch. Das kommt mir sehr sphärisch vor. Hat aber was. Den Abschluss findet noch ein Om und einen netten Gruß an Shanti. Da sage ich doch mal: Namasté.

Tag 6

Was soll ich sagen? Gongs, ein Flitzebogen und wabernder weißer Salbei. Aber mal der Reihe nach. Ich muss gleich mal vorweg sagen, dass Kumāri den ganzen Kurs prima macht. Sie hat sich für jede der Stunden etwas Besonderes ausgedacht. So schreite ich mit dem einen oder anderen Schmerz auf meiner Dehntour weiter voran. Diese Woche ist mir mal die Seife beim Duschen aus den Händen geflutscht und ich habe sie aufgehoben. Klingt nicht ungewöhnlich. Aber ich habe sie wie beim Start des Sonnengrusses aufgehoben, unbewusst, nanu? Was passiert denn hier? Natürlich konnte ich in der Dusche nicht in die Sprinterstellung wechseln. Ist doch klar, dabei würde ich mir den Kopf an der Duschwand stoßen und vermutlich, weil der Boden etwas glitschig geworden ist, in den Spagat gehen. Eigentlich auch nicht so schlimm. Nur – wie hätte ich so schnell einen Arzt rufen können? Und hätte ich für immer in der Dusche bleiben müssen? Schlagzeile: Yogi in Dusche verklemmt – kaum Überlebenschancen. Dazu passt, dass wir die Yoga-Stunde mit der Totenhaltung anfangen. Da habe ich aber noch nicht an die Dusche gedacht. Als ich nach der Totenhaltung wieder ins Leben gerufen werde, möchte Kumāri , dass ich mich für den Sonnengruß an den Beginn der Matte stelle: Sonnengruß! Hab ich es doch gewußt.

Warum reicht nicht auch ein halber Bogen, nur so wegen der Blase?

Nach mindestens zehn Mal die Sonne gegrüßt, könnte ich locker in die Totenhaltung gehen und bräuchte auch ’ne schöne Dusche. Aber nix da. Weiter geht es mit dem Flitzebogen, also dem Bogen. Ehrlich, kein Mensch legt sich auf den Bauch, drückt das Schambein in den Boden und fasst hinter dem Rücken seine Beine. Dann auch noch Schaukeln. Hab ich schon davon gesprochen, dass ich zuvor ordentlich Wasser getrunken habe und jetzt auf meiner prallen Blase schaukele. Meine Muskulatur hält. Jetzt verkanten wir unsere Beine und drehen uns in die entgegengesetzte Richtung. Auch nicht schön. Nun wieder hinstellen und das Dreieck geben. Kann ich. Kumāri kommt vorbei, um meine Armhaltung zu korrigieren. Sie lacht, weil ich zu groß bin und sie nicht an meinen Arm kommt, der steil in die Höhe ragt. Ich denke an ein Geodreieck aus der Schule und biege mich noch ein wenig. Kumāri ist zufrieden. Zum Schluss legen wir uns wieder in Shavasana, der Totenhaltung und ich nicht dumm, lege mir die Decke über den Körper, schließe die Augen und höre die dumpfen Gongschläge der Schalen. Dazu wabert ein Duft von weißem Salbei durch den Raum. Gong. Zum Abschluss fehlt natürlich nicht das Shanti, Shanti und ich rolle mich aus meiner Totenhaltung zurück ins Leben.

Tag 7

„Kling-Klong … Ping!“ Kumāri jagt mich in neue Sphären, während ich auf der Matte liege. „Ping … Kling … Klong“ Ich sehe förmlich die einzelnen Noten durch den Raum schweben. Es sind die Töne einer Sansula, wie ich später erfahre. Es ist eine Art Weiterentwicklung der Kalimba. Da machen wir aber mal einen ordentlichen Sprung von Afrika nach Indien. Hier wird aber auch kulturell nichts ausgelassen. Kumāri verlässt das Hatha-Yoga und gibt uns einen Einblick in das Yin-Yoga. Dazu gehört offenbar auch das Klimpern aus dem Kosmos. Ich darf mir ein Rudel bunter Kissen holen und sie neben meiner Matte stapeln. „Du brauchst nur drei …“, lächelt mir Kumāri zu. Nun ja – ich dachte – nur zur Sicherheit und lege zwei Kissen wieder zurück. Jetzt die Vorwärtsbeuge in der Version „äußerst bequem“, denn ich platziere mir drei Kissen gestapelt auf die Oberschenkel und lege anschließend meinen Kopf auf den Kissenstapel.

Kling-Klong-Yoga mit Ablage

Das kann so bleiben. Aber wie lange noch? Jetzt ist aber langsam gut. Ich liege jetzt hier auf dem Kissenstapel eine gefühlte halbe Stunde. Nicht schnarchen, niiiiicht schnarchen! Ob Kumāri überhaupt noch da ist? Vielleicht ist sie ja heimlich gegangen und lässt uns so liegen. Ich höre schon die Reinigungskraft am anderen Morgen schreien, wenn sie uns so vorfindet. Dann kommt ein Lebenszeichen: Kalimba, Kalimba und die Erlösung. Das wurde aber auch Zeit. Mir war schon ganz heiß. Und so geht es in der Yin-Yoga-Stunde weiter. Mal sitze ich völlig verdreht und wieder sehr lange auf der Matte, dann hänge ich mit meinem Bauch auf zwei Kissen, nur um anschließend eine kissenunterstützte Kerze darzustellen. Geht das als Performance durch? Ein Schulterstand, der als Kissenstand daherkommt. Kalimba, Kalimba. Es ist ein klein wenig ein Slow-Yoga, so als hätte jemand aus dem Film des Lebens die Geschwindigkeit herausgenommen. Zum Schluss der Stunde schwebe ich genüsslich Richtung Ausgang und bin Kumāri mal wieder dankbar. Sie kennt aber auch Sachen. „… Kling-Klong.“

Tag 8

Der alles entscheidende Tag, quasi der Showdown mit der existenziellen Frage: „Wird es weitergehen und warum? Hat mein Rücken es bis heute überlebt? Gibt es ein Leben nach Yoga?“ Offenbar haben einige der Yogins die Frage nach dem Leben danach schon beantwortet, denn sie haben sich für den letzten Tag des Kurses entschuldigt wegen vielleicht Corona, bestimmt Ohrensausen, Husten und uiuiui Knieschmerzen. So sind wir an diesem letzten Tag nur zu dritt. Ich glaube Kumāri ist darüber auch nicht glücklich, lässt es sich aber nicht anmerken. Sie sieht sich um und stellt fest, dass wir für drei Yoginis genug Kissen haben, so fällt die Entscheidung für Yin-Yoga. Beim Tag 7 hatte ich ja das Gefühl, dass mit Kumāri heimlich an eine unterirdische Steckdose angeschlossen hatte, weil mir bei der statischen Vorwärtsbeuge so heiß geworden war.

Huiii … komisches Seegras

Nun aber gebe ich das Seegras mit einem Kissen unter dem Po als Sicherheits-Seegras-Bremse. Früher hat der geneigte Turner zu der Figur Kerze gesagt (aber wir wollen mal nichts pingelig sein) und ich frage mich gerade, ob Seegras auch Füße am oberen Ende hat. Ich röchele noch drei Atemzüge (weil mein Hals so geknickt ist) und dann schubse ich auf Anweisung das Kissen weg. Die Bremse ist weg, das Seegras senkt sich. Weitere Figuren des heutigen Abends sind: Türmchen-Vorwärtsbeuge, das Nadelöhr (finde ich schmerzhaft am Po) und der Drehsitz im Liegen. Dolle Sache, da guckt der Kopf immer in die entgegengesetzte Richtung der Knies. Mich erinnert das an eine Krabbe, die ja auch irgendwie seitwärts, statt vorwärts orientiert ist. Hier habe ich einen Vorschlag: der Drehsitz heißt ab sofort Winkerkrabbe. Vor allem weil mein gegenüberliegender Arm nicht so richtig zu Boden will. Ich versuche es – wirklich, aber es kommt eher eine ungewollte Winke-Winke-Bewegung dabei heraus. Nach den ganzen Tier- und Pflanzen-Verbiegungen, kommt noch die Entspannungsphase. Jetzt wird es so richtig gemütlich auf der Matte. Selbstverständlich ziehe ich die Decke über meinen yogagestählten Astralkörper. Kumāri schwingt den Klöppel und gongt mit den Schalen, die Heizung im Raum gluckert und scheppert und draußen hupt wieder ein Zug. Aber dafür kann Kumāri nichts. Irgendwann ist Schluss und die acht Tage Yoga sind wirklich prima gewesen. Ich habe Muskelstränge an und in meinem Körper kennengelernt, von denen ich vorher überhaupt nicht wusste, dass es sie gibt. Kumāri hat das toll gemacht. Ich werde auch ihren Gesang, ihre indische Rezitation, die immer mit „Giiiii“ aufhört und ihr langgezogenes Om vermissen.

Darauf meinerseits ein „Ommmmm …, Shanti, Shanti, Shanti …“