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Nicht den Buddha belästigen

Würde ich doch nie tun. Oder vielleicht manchmal doch und mir fällt es nicht auf? Jedenfalls würde ich nicht rücksichtslos sein. Dazu muss der Mensch aber immer achtsam sein, sich immer dessen bewusst sein, was er gerade tut und vor allem auch wie. Haben Sie zuviel eingekauft und stellen nach zwei Wochen fest, dass der Eisbergsalat ganz nach Hinten im Eisschrank gerutscht war. Und – schwupps – schon wurde er vergessen. Irgendwann taucht er dann hinter der gestapelten Margarine auf, sieht alles andere als appetitlich aus und wird in den Biomüllsack geworfen. Bestenfalls. In Japan würde ein solches Verhalten sehr bedauert. Der japanische Begriff dafür ist mottainai.

Oh, was für eine Verschwendung: mottainai! Das würde Siddharta überhaupt nicht gefallen, denn das ist auch eine Verschwendung der Natur. Die Sonne gab ihre Energie, damit der Salatkopf gut wachsen konnte, die Erde gab ihre Nährstoffe und der Regen sorgte dafür, dass die Pflanze nicht verdurstete. Ein langer Prozess, an dem auch der Bauer mit seiner Sorgfalt und Arbeit beteiligt war. Und was machen wir? Wir stopfen den Salat in die hinterste Ecke des Kühlschranks und vergessen ihn: mottainai. Der Begriff bedeutet aber auch die grundsätzlich Verschwendung von Zeit oder Dingen. Laut dem japanischen Wörterbuch Kojien, das vergleichbar ist dem Duden in Deutsch, ist es auch das Bedauern über eine Verschwendung und dass der Mensch rücksichtslos war. Schließlich ist alles, so Siddharta, miteinander verbunden. Nichts existiert für sich alleine. Eine Welle in der Nordsee könnte beispielsweise denken (vorausgesetzt sie denkt), dass sie eine ganz tolle Welle ist, so wie keine andere. Aber sie hat eben kein Selbst, denn sie ist einfach ein Teil der Nordsee, sozusagen eine lange Beule, aber nicht von der Nordsee getrennt. Das merkt sie spätestens dann, wenn sie versucht auf den Strand zu wandern.

Sprachwissenschaftler vermuten, dass der Begriff mottainai mit dem Zen-Buddhismus verbunden ist. In der Tokugawa-Zeit, ab dem 17. Jahrhundert bis und 18. Jahrhundert, wurde es eng auf den japanischen Inseln. Die Städte hatten regen Zulauf und in der Hauptstadt Edo wuselten mehr als eine Million Einwohner. Handwerker spezialisierten sich auf die Reparatur und Wiederverwertung kaputter Gegenstände. Selbst Papier wurde schon recycelt. So war der Ausdruck mottainai durchaus gebräuchlich. Andere Quellen berichten darüber, dass der Begriff schon viel älter sei und während des Genpei-Krieges im 12. Jahrhundert aufkam. Wie auch immer. Alles ist eben miteinander verbunden und einen Salat wegzuschmeissen, ist eben auch eine Belästigung Buddhas. Wir sind nicht dankbar für das, was man im Leben hat. Im 21. Jahrhundert hat sich der Begriff mottainai in der japanischen Umweltschutzbewegung etabliert. Es sind die alten Werte der Tokugawa-Zeit, die Wertschätzung und Achtsamkeit im Umgang mit den Dingen und der Natur in der wir leben. Sie wieder aufleben zu lassen, ist sicherlich keine Verschwendung.

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