Bewusstsein Handeln Tat

Aufmerksame Wut

Wut ist ein starkes Gefühl. Man will es nicht haben und manchmal wird sie auch als heilige Wut bezeichnet, wenn sie einen bei einer Ungerechtigkeit gegenüber den Menschen oder der Natur überkommt. Ist es möglich der Wut mit Aufmerksamkeit zu begegnen oder überlagert sie einfach alles und lässt einen bewussten Umgang gar nicht zu?

Vielleicht muss ich mich fragen, ob ich besonders verletzlich bin oder ich habe Dinge in der Vergangenheit erlebt, die ich nie mehr wieder will und gerade deshalb werde ich in bestimmten Situationen wütend. Hier spielt das limbische System in unserem Gehirn eine Rolle. Es ist zuständig für die Blaupausen zu unserem Verhalten. Das System ordnet die Bilder und Gefühle ein und lässt uns dann reagieren, entsprechend einer gelernten Abfolge. Das führt vielleicht auch zu mehr Selbstbewusstsein: „Das will ich nicht, verdammt nochmal!“ Unbewusste Wut führt allerdings oft zu Verletzungen bei anderen Menschen, was wir eigentlich nicht wollen oder später bereuen. Wir unterdrücken auch manchmal die Wut, um später nichts zu bereuen.

Also – Wut per se muss nicht schlecht sein. Es ist eine extrem starke Emotion wie auch die Liebe. Es gehört einfach zu unserem Menschsein. Wut zeigt auch immer, dass wir etwas ändern müssen. Wenn wir uns beispielsweise nicht mehr in den Garten setzen können, weil der Nachbar ständig mit dem Rasenmäher, der Motorheckenschere oder dem motorisierten Rasenkantenschneider unterwegs ist, macht uns das auf Dauer wütend. Auch wenn immer rund zwanzig Kinder beim Nachbar spielen und dadurch eine Geräuschkulisse wie in einem Freibad im August entsteht, kann das wütend machen.

Wir können aber dann auch regieren, statt zu erleiden. Wir könnten zu dem Nachbarn gehen (vielleicht mit einem Stück Kuchen) oder ihn fragen, wann der nächste Kindergeburtstag geplant ist, damit wir dann auch einen Ausflug planen, um uns der Geräuschkulisse zu entziehen. Kinder toben nun mal schreiend vor lauter Lebensfreude, aber vielleicht befinde ich mich gerade in einem anderen Lebensabschnitt, der sich nach Ruhe sehnt. Vielleicht müssen wir auf Dauer einfach in eine andere ruhigere Gegend ziehen, wenn ich die Umstände sonst nicht beeinflussen kann. Wichtig ist es Lösungen zu finden, statt ständig wütend zu sein.

Der indische Mönch Shantideva hatte im 8. Jahrhundert ein Rezept dazu. Er schrieb, wie es damals halt so üblich war, ein Gedicht darüber:

„Wenn der Drang im Kopf aufkommt zu Gefühlen der Begierde oder zornigen Hass, Handeln Sie nicht! Sei still, sprich nicht! Und sei wie ein Algorithmus. Wenn der Geist wild vor Spott ist und voller Stolz und hochmütiger Arroganz, und wenn Sie die verborgenen Fehler anderer zeigen wollen, alte Meinungsverschiedenheiten aufzubringen oder betrügerisch zu handeln … Es ist dann so, dass Sie wie ein vordefinierter Algorithmus, der Abfolge eines Verhaltensmusters funktionieren sollten.“

Das Gedicht wurde inhaltlich ein wenig in die heutige Zeit übertragen. Shantideva hätte wohl eher von einem höfischen Protokoll gesprochen als von einem Algorithmus. Kommt aber auf das Gleiche hinaus. Kurz gesagt: Kommt die Wut auf, legen Sie eine Pause ein und atmen ein- und aus, bevor Sie reagieren. Durch können wir die Gedanken beruhigen und die Dinge vielleicht klarer sehen.

Ich weiß, das ist einfacher gesagt als getan. Aber wie heißt es so schön: Übung macht den Meister.

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