Erkenntnis Philosophie

Mehr nicht: die Anmut der Armut

In einer Hütte aus Bananenblättern oder in einer griechischen Tonne muss der Mensch ja nicht gleich leben. Zumindest die Mietkosten wären natürlich bei diesen Varianten des Wohnraumes überschaubar. Auch die Waldmönche des Theravada-Buddhismus geben sich mit einer ganz einfachen Hütte im Wald zufrieden. Es geht hierbei natürlich um eine selbstgewählte Armut wie die von Siddhārtha in Nordindien und Franziskus in Mittelitalien. Ja, genau, der junge Mann, der sich vor Gericht auszog, weil er noch nicht einmal die Kleider haben wollte, die sein Vater ihm geschenkt hatte. Beide kamen aus wohlhabendem Hause und konnten mit diesem „Ich-kann-mir-alles-Erlauben“ nichts anfangen. Beim Nachdenken über die menschliche Existenz und das Sein kann Reichtum eigentlich nur hinderlich sein. Die beiden Nachdenker haben möglicherweise auch erkannt, dass man Dinge nicht nur besitzt, sondern die Dinge einen selbst auch besitzen. Der Mensch ist nicht mehr frei; er wird zum Sklaven seines Besitzes.

Der Autor Henry David Thoreau zog sich auch in eine Waldhütte in Massachussets zurück und schrieb „Walden“. Der Traum vom einfachen Leben. Er wurde zum Vorbild vieler Aussteiger aus der Gesellschaft.

Eines darf aber nicht vergessen werden: Es ist eine freiwillige Armut. Eine solche freiwillige Armut kann sehr anmutig sein, wenn sie als buddhistischer Mönch oder buddhistische Nonne daherkommt. Ajahn Brahm hat solche Erfahrungen in einem thailändischen Kloster gemacht und erklärte immer wieder, dass der buddhistische Mönch kein Interesse hat, weltliche Ziele zu erreichen. Warum auch? Wenn wir in unserer Gesellschaft nicht viel Geld zum Leben haben und vielleicht versuchen müssen, mit einer Grundversorgung zurecht zu kommen, könnten wir daraus etwas Anmutiges schaffen, statt darunter zu leiden. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, über den Minimalismus nachzudenken. Was brauche ich wirklich? Was von dem, was ich besitze, kann ich verkaufen oder verschenken? Macht es Sinn mir ein Parfüm für 300 € oder ein paar Ohrringe mit Diamantensplitter für 1000 € zu kaufen? Für wen sollte ich diese Anschaffungen tätigen? Die Anmut liegt in der Einfachheit und nicht im Glitzerglanz eines Weihnachtsbaumes, der lediglich ein paar Tage überlebt.

„Anmut hasst den Zwang“, sagte der griechische Philosoph Empedocles. So ist gerade die Freiheit ein großer Bestandteil der Anmut. Auch die Schönheit der Natur und das Einssein mit ihr ist anmutig. In der englischen Philosophie sprachen die Aufklärer im 17. Jahrhundert von der „moralischen Anmut.“ Ein einfaches Leben kann daher durchaus anmutig sein. Es kommt auf die innere Einstellung zum Leben an, die sich keinesfalls am Äußeren der Welt orientiert. Es ist nicht wichtig, ob der Nachbar einen Aufsitzrasenmäher für 100 qm Garten hat oder einen SUV fährt. Das ist in der Wirklichkeit der Welt bedeutungslos.

„Not always so“, sagte der japanische Zen-Mönch Shunryū Suzuki und lächelte. Wir würden sagen: Nichts bleibt wie es ist, weder Freude noch Leid.

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