Erkenntnis Meditation Philosophie

Langsam rekeln für die Einsicht

Ab und zu raschelte es, aber ansonsten war es mucksmäuschenstill. Ich saß in einem großen Raum mit zwanzig anderen Teilnehmern auf einer Yogamatte, darauf ein Zabuton (eine Art Matratze) und darauf wiederum ein Sitzkissen. Der Raum hatte sicherlich einmal als Kapelle gedient. Mit den hohen Fenstern erinnerte er stark an einen Sakralbau. Außerdem wusste ich, dass an diesem Ort auch Priesterseminare abgehalten wurden. Man könnte also sagen, dass der Ort auf eine besondere Weise spirituell aufgeladen war.

Es war langweilig. Während ich saß, lag und manchmal auch auf der Matte herumlümmelte, hing ich meinen Gedanken nach, die über die Vergangenheit und die der Zukunft. Was mögen wohl die anderen Teilnehmer gedacht haben? Hatten die auch Probleme, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Jenen Zeitraum ohne Zeit. Wir alle waren in einem Vipassana-Retreat. Und das Schöne, im Gegensatz zu anderen Retreats war, dass wir uns langsam bewegen durften, sobald die Beine einschliefen oder sonst irgendetwas zwackte. Und bei mir zwackte es ordentlich an Stellen, die mir vorher gar nicht so bewußt waren. Ein Vipassana-Retreat muss mindestens zehn Tage dauern, damit der Geist zur Ruhe kommt, heißt es. Apropos Ruhe: Die soll auf allen Ebenen, der körperlich, geistigen und verbalen Ebene stattfinden. Ich begann in der Unterkunft Selbstgespräche zu führen. Ich habe das aber meinem Lehrer nicht gebeichtet. Bei meinem Retreat war der Körper eher schläfrig, da es nicht nur zehn Tage dauerte, sondern auch zehn Stunden pro Tag. Ab und zu gab es mal eine Pause von sieben Minuten, da musste man schon flott sein beim Gang auf die Toilette.

Vipassana ist einer der ältesten indischen Meditationstechniken überhaupt. Seit mehr als 2500 Jahren wird Vipassana praktiziert und die Lehrer erhalten keinerlei Bezahlung. Vipassana sei ein reiner Dienst für andere. Das war allerdings bei meinem Retreat anders. Wer die vollen zehn Tage mitmachte, musste mehr als 1000 € zahlen. Gut – darin war auch die Verpflegung und Unterbringung. Von daher war mir nicht ganz klar, wie ich das zufriedene Lächeln meines Lehrers deuten sollte, der da vor den Teilnehmern saß.

Vipassana geht auf den Pali-Kanon und damit auch auf den historischen Buddha zurück. Im Satipaṭṭhāna-Sutta steht diese Einsichtslehre, die nichts mit Glauben oder Askese zutun hat. Es ist der direkte Weg vom Beenden des Leidens, so wie Siddharta es gelehrt hat. Also – wie heißt es so schön: back to the roots. Kurz noch zu meinem Retreat. Es war eine sehr schöne Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte, nur den Mund konnte ich nicht so richtig halten, aber das hat in der Meditationshalle ja niemand gemerkt.

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